Die kaiserliche Marine in der Zeit Kaiser Wilhelms II.

   Im Jahr 1888 folgte in der Regentschaft auf Wilhem I. am 9. März schließlich Kaiser Friedrich III., der noch im gleichen Jahr verstarb. Am 16. Juni bestieg Kaiser Wilhelm II. den Thron. Er war den Streitkräften sehr zugetan und griff unter anderem in Uniformierungs- und Bewaffnungsfragen auch initiativ ein. Kaiser Wilhelm II.

   Bereits nach zwei Jahren seiner Regentschaft befahl er am 9. September 1890:
Es ist Mein Wille, den Seekadetten und Kadetten an Stelle des Seitengewehrs den Dolch zu verleihen. Das Reichs-Marine-Amt hat Mir entsprechende Proben zur Genehmigung vorzulegen.

   Mit Allerhöchster Kabinettsorder vom  10. Oktober 1890 wurde dann ein neues Dolchmodell von ihm festgelegt. In den Bekleidungs-Bestimmungen für Seekadetten und Fähnriche zur See wird im Abschnitt Dolch beschreibend ausgeführt:

Gerade, spitze auf beiden Seiten von der Mitte nach den Schneiden abfallende und mit eingeätzten Verzierungen - unklarer Anker mit Kaiserkrone - versehene Klinge von 34 cm Länge in doppelt vergoldeter metallener, 36 cm langer Scheide mit 2 Bügeln und Trageringen. Die runde, an beiden Enden knopfartig verstärkte metallene und ebenfalls vergoldete Parierstange von 8 cm Länge enthält auf beiden Seiten des in ihrer Mitte befindlichen Vierkants als Verzierung je einen unklaren Anker; der Griff von Elfenbein schließt oben mit einer vergoldeten Kaiserkrone ab (die Krone des Dolches darf nicht durchbrochen und nicht abschraubbar, sondern muß fest vernietet sein). Die Gesamtlänge des Griffes beträgt, von der unteren Kante der Parierstange bis zur Spitze der Kaiserkrone gemessen, 13 cm. Die Dolchklinge wird in der Scheide durch eine Haltefeder festgehalten. (Jedes Eingravieren von Widmungen, Sinnsprüchen, Beförderungsdaten usw., mit alleiniger Ausnahme des Namens, ist nicht gestattet.)

Kadettendolch


Dolch aus dem Musterbuch
von A. Coppel


   Wie es dann zur Einführung eines Dolches für die Seeoffiziere kam, gibt nachfolgende Erzählung wieder (zitiert nach
Marine-Rundschau 1938, S. 949 f. - Anmerkung d. Verf.: das Ereignis fand entgegen dem Bericht nicht am 16. sondern 12. oder 13. Sepotember statt) :
Auf der Reede zu Danzig fand ... 1901 ein großes Flottentreffen zwischen Kaiser Wilhelm II. und Zar Nikolaus II. statt. Am Nachmittag des 16. September also gab der Kaiser an Bord seines Flaggschiffes ein kleines Essen... Der Kaiser, von der abgehaltenen Besichtigung höchst befriedigt, fragte den als Gast an der Tafel weilenden hochbetagten Admiral Graf Waldersee im Laufe der Unterredung, was er denn während der Zeit der Besichtigung unternommen hätte. Rein zufällig entgegnete der Graf, daß er den jungen Kameraden einiges aus der alten preußischen Marine vor 1870 erzählt hätte, jener Zeit, da auch noch die Offiziere der Marine den schmucken und bequemen Dolch neben dem schweren und umständlichen Säbel tragen durften. Der Kaiser, in der Hoffnung, seinen Offizieren eine Freude bereiten zu können, fragte ... Wachoffiziere, ob sie den Kadettendolch auch gerne tragen würden und befahl sofort, als diese freudig zustimmten, die Einführung des Dolches für die Offiziere. Mit diplomatischem Geschick verknüpfte Kaiser Wilhelm die Einführung des Dolches für die Offiziere mit dem Besuch des Zaren Nikolaus und verkündete am anderen Tag, als sich der Zar an Bord seines Flaggschiffes befand, diesem, daß er zur Erinnerung an diesem hohen Tag für die Offiziere seiner Marine das Anlegen eines Marinedolches - wie er auch von den Offizieren der russischen Marine getragen wurde - befohlen habe.

Die Allerhöchste Kabinettsorder vom 13. September 1901 hierzu lautet:
Nachdem Seine Majestät der Kaiser von Russland mir Seine vollste Anerkennung mit den Leistungen der Deutschen Flotte ausgesprochen hat, bestimme Ich zur Erinnerung hieran wie an Meine Begegnung mit Seiner Majestät dem Kaiser Nicolaus II., daß die Seeoffiziere Meiner Marine in gleicher Weise wie die Kaiserlich Russischen Seeoffiziere den Dolch der Fähnrichs zur See mit schwarzem Bandkoppel als Interimswaffe tragen. Ich ermächtige Sie, die erforderlichen Ausführungsbestimmungen hierzu zu erlassen.
An den Reichskanzler (Reichs-Marine-Amt)

   Nachdem am 14. Oktober 1901 durch das Waarenhaus für Armee und Marine ein Dolch nach alter (preußischer) Art und drei Dolche nach Zeichnung an das Reichs-Marine-Amt geliefert worden und dem Kaiser im Immediatvortrag vorgelegt worden waren, konnte schließlich (am 15. Oktober 1901) durch den Staatssekretär des Reichs-Marine-Amts verfügt werden:
Über die Beschaffenheit des Dolches und Portepees enthalten die Bekleidungsbestimmungen für die Seeoffiziere usw. auf Seite 12/13 das Nähere.
Ferner wurde noch bestimmt:
Offiziere, welche früher einen Dolch älterer Art getragen haben, dürfen diesen ... weiter tragen.

   In den Bekleidungsbestimmungen (von 1900 - durch Deckblatt 10 vom Februar 1902 ergänzt) wird der Dolch der Seeoffiziere unter Hinweis auf die Waffe der Kadetten folgendermaßen beschrieben:
Gerade, spitze, auf beiden Seiten von der Mitte nach den Schneiden abfallende und mit eingeätzten Verzierungen - unklarer Anker mit Kaiserkrone - versehene Klinge von 34 cm Länge in vergoldeter metallener 36 cm langer Scheide mit zwei Bügeln und Trageringen. Die runde an beiden Enden knopfartig verstärkte metallene und ebenfalls vergoldete Parierstange von 8 cm Länge enthält auf beiden Seiten des in ihrer mitte befindlichen Vierkants als Verzierung je einen unklaren Anker. Der Griff von Elfenbein schließt oben mit einer vergoldeten metallenen Kaiserkrone ab; die Gesamtlänge des Griffes beträgt, von der unteren Kante der Parierstange bis zur Spitze der Kaiserkrone gemessen, 13 cm. Die Dolchklinge wird in der Scheide durch eine Haltefeder festgehalten.
Die identische Beschreibung findet sich auch in den Bekleidungsbestimmungen für die Seeoffiziere usw. (Seeoffz.Bekl.Best.) von 1909. Tatsächlich wurden von den Seeoffizieren in erheblichem Umfang von der Beschreibung abweichende Waffen erworben, wie die heute noch vorhandenen Realstücke beweisen. Wie hinlänglich bekannt, hatten die Offiziere sich selbst auszustatten, weswegen sie sich beim Ankauf gewisse Freiheiten nahmen. Die Varianten sind "unzählig", da die Waffen sich in allen Einzelteilen unterscheiden können. Eine Darstellung muß an dieser Stelle unterbleiben, da sie den Rahmen der beabsichtigten Übersicht sprengen würde.  Ergänzend ist jedoch anzumerken, daß Offiziere, die früher einen Dolch älterer Art (preußischen Marinedolch) getragen hatten, diesen weiter tragen durften.

   Um die Ära  der Kaiserzeit sachgerecht abzuschließen, bleibt noch zu erwähnen, daß im Laufe des Jahres 1916 die Seitenwaffen ( Säbel, Dolche, Seitengewehre) soweit sie aus Messing oder Tombak gefertigt wurden, nunmehr regelmäßig aus Eisen hergestellt werden mußten. Diese Verordnung wurde erlassen, um die wertvollen Buntmetalle für andere kriegswichtige Güter zur Verfügung zu haben.


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